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Auf zwei Rädern durch Kuba

Richtig vorbereitet auf Tour
6. April 2017
APRILIA “FACE THE RACE” 2017
15. April 2017
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Wer mit schweren Maschinen von Havanna zur Schweinebucht fährt, wird mit Freundlichkeit empfangen. Ein Road-Trip durch den sozialistischen Alltag

Raúl Castro lächelt gnädig auf uns herab. Fidels Bruder ziert auf einem Plakat die Aussenwand einer Lagerhalle am Stadtrand Havannas, wo unsere Mietmotorräder für die Tour bereitstehen: mehrheitlich Harley-Davidsons, verschiedene Modelle. Ein paar Reiseteilnehmer bestellen eine BMW. Alle Bikes sind mit Seitenkoffern, die BMW auch mit Topcase bestens ausgestattet und in Europa gewartet. Ein österreichischer Reiseveranstalter importiert sie jeweils für die Saison nach Kuba, eine Schweizer Motorradreisefirma bucht sie und organisiert die Kuba-Tour.

Im Konvoi rollen wir auf Havannas Malecón, der mehrspurigen Küstenstrasse, wo vor allem abends unzählige Städter vor prächtigen historischen Fassaden angeln, Snacks knabbern, guten Rum trinken (während ihn Jugendliche mit Red Bull ruinieren), flirten, reden und die Meeresbrise geniessen. Einige Häuser bestehen nur aus der Fassade, andere sind stilgerecht renoviert. Jetzt lässt der Wind die Stars-and-Stripes-Fahne vor der kürzlich eröffneten US-Botschaft flattern. Ein paar Meter weiter, unübersehbar vor den Bürofenstern des Lieblingsgegners, flattert Kubas Fahne an einem deutlich höheren Mast, umgeben von Dutzenden im Moment leeren Fahnenmasten, die beim Vorbeifahren wie kampfbereite Speere wirken.

Mangroven und Plattenbauten

Je weiter wir uns dem Herzen Havannas, der Unesco-geschützten Altstadt, nähern, desto öfter kreuzen wir bunt lackierte US-Oldtimer aus den 1950er Jahren. Meistens schauen Kuba-Besucher ihnen knipsend nach. Auch wir. Doch unser röhrender Konvoi mit 19 Bikes stiehlt den Oldtimern die Show: Touristen staunen, unzählige Einheimische filmen uns mit Smartphones – wie später in allen Städten und Dörfern, die wir auf der 1700 Kilometer langen Rundreise durchqueren. Die Kubaner sind begeistert, obschon sie auf den ersten Blick nicht wissen können, dass es nicht Amerikaner sind, die ihre Insel mit einem USSymbol beschallen. Eine Provokation? Sobald sie erfahren, woher wir kommen, lächeln sie breiter. Donald Trump ist gerade gewählt worden, das macht vielen Angst.

Ostwärts. Links das Meer, davor grüne Flächen, Schafe, Blumen. Später Mangroven. Rechts baufällige Siedlungen, manchmal Plattenbauten, wie sie die gesamte, einst sozialistische Welt von Berlin bis Ulaanbaatar verunzieren. In Kuba ist der Beton oft karibisch grünlich patiniert – immerhin. Hier und dort stehen stattliche Häuser im spanischen Kolonialstil. Östlich der touristischen Landzunge Varadero mit Dutzenden All-inclusive-Resorts am türkisfarbigem, lauwarmen Meer beginnt das weite, flache Land. Eine ruhige Gegend, Landwirtschaft und kleine Dörfer. Wir rollen hindurch, die Menschen stehen Spalier, heftiges Winken. Und immer wieder begegnen wir Pferdegespannen und Reitern. Was sofort auffällt: Nirgends liegt Abfall herum, ein sauberes und reklamefreies Land. Wenn wir anhalten, strömen Menschen herbei und suchen freundlich das Gespräch. Eine ältere Dame freut sich: «Unglaublich, diese phantastischen Bikes, die ich nur aus dem Fernsehen kenne, stehen vor mir!» Ihr Herz schlage aber trotzdem stärker für die einheimische Kultur, sagt sie und zeigt mit einer eleganten Handbewegung auf zwei parkierte Oldtimer. Den Hinweis, dass diese formschönen Autos aus den USA stammen, kontert sie lachend: «Wir haben sie integriert!» Der Export der Oldtimer ist verboten, sie wurden zum Nationalerbe erklärt.

Wir übernachten stets in guten Hotels – der Begleitbus bringt unser Gepäck. Oder wir schlafen, wie in Remedios, in «Casas particulares». Das sind Privatunterkünfte mit der Lizenz zur Touristenbeherbergung und, wie in diesem Städtchen, zur liebevollen Bekochung. Dazu gibt es Live-Musik – auch in Restaurants. Die guten Gitarristen und Sänger sind ein Genuss.

Wenn wir unterwegs anhalten, strömen Menschen herbei und suchen freundlich das Gespräch mit uns.

Löcher auf den Autobahnen

Die Strasse zur Südküste führt durch hügelige Landschaften. Es ist, als würde man durch einen grossen tropischen Park mit Palmen schweben, runter zum Meer, dann vorbei am Sklaventurm aus dem 19. Jahrhundert, der einen Panoramaausblick bietet, einst aber der Überwachung der Sklaven in den Zuckerrohrfeldern diente. In teurem 100-jährigen Kuba-Rum, der auch exportiert wird, steckt also noch Sklavenarbeit. Dann erreichen wir die weissen Strände beim putzigen Städtchen Trinidad, wo im Zentrum abends Einheimische – von jungen Schönen bis zu zahnlosen Alten – Salsa tanzen, dass es eine Freude ist.

Weiter westwärts, via Cienfuegos. Immer wieder ruft Che Guevara von Hauswänden zu Revolution und Sieg auf. Fidel Castro ist weniger präsent. Das könnte sich ändern, denn elf Tage nach unserer Abreise wird er sterben. Linkerhand im Süden, ein paar Kilometer entfernt, liegt die Schweinebucht, wo die USA 1961 einen völkerrechtlich illegalen Angriff auf das zwei Jahre zuvor revolutionär gewandelte Kuba lancierte. Die Invasion scheiterte schon am Strand.

Die Strasse nach Havanna hätte allenfalls Harley-motorisierten Kämpfern den Rest gegeben. Das gilt partiell noch heute. Ist die dröhnende Dreifaltigkeit aus Motorradtyp, Fahrer, Strasse harmonisch, dann ist alles gut. Doch mal sind die Strassen etwas rau, mal die Biker etwas mau. Selbst erfahrene Harley-Enthusiasten stöhnen manchmal diskret, während gut gefederte BMW-Fahrer zweifelsfrei feststellen: «Kubas Strassen sind gut.»

Löcher gilt es zu umfahren, gerade auf hiesigen Autobahnen – permanente Aufmerksamkeit ist nötig. Dann steht dem insularen Fahrvergnügen nichts im Wege, schon gar nicht andere Fahrzeuge: Kubas Strassen sind nahezu verkehrsfrei. Gut gelaunt kurven wir zum Abschluss um die eindrücklichen Kegelberge bei Viñales im Westen der Insel, und Harley-Enthusiastin Martha, die Kuba schon zweimal konventionell bereist hat, findet: «Die Freundlichkeit der Kubaner ist unverändert herzerwärmend.

Weitere Infos zur Tour findet Ihr auf Toeffreisen.ch
Text: Daniel B. Peterlunger / NZZ am Sonntag