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Honda DCT-Automatik – der Reiseenduro-Praxistest

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Africa Twin Adventure Sports - auf und abseits befestigter Strassen

Mit diesem Fahrbericht über die aktuelle DCT-Version der Honda CRF1100L Adventure Sports möchte ich zwei Fragen klären: Was ist das DCT-Getriebe genau und kann man damit bei langsamer Geschwindigkeit und in leichtem Gelände genauso präzise manövrieren wie mit einer traditionellen Kupplung? Und kann ein Motorrad mit Automatikgetriebe und einem vergleichsweise kleineren Motor in der Oberliga der grossen Reiseenduros mitspielen? Um diese Fragen zu beantworten, war ich eine Woche mit dem Motorrad in der Schweiz und in Frankreich auf Passstrassen, Offroad und Autobahn unterwegs.

 

Ohne Fussschaltung und Kupplungshebel

Beim ersten Losfahren fehlen Fussschaltung und Kupplungshebel, doch der damit verbundene Phantomschmerz und der damit einhergehende klassische Griff ins Leere vergehen glücklicherweise schnell. Die Bedienung über das TFT-Display mit den drei Fahrmodi D, S und M ist selbsterklärend. Auf der Autobahn liegt die Africa Twin satt und stabil, in Passkurven überrascht sie mit erstaunlicher Agilität. Trotz ihrer Statur und ihres Gewichts von über 250 Kilogramm ist sie sehr wendig. Das Fahrwerk bügelt Unebenheiten souverän weg. Selbst meine enge Lieblingstestkurve mit starken Bodenwellen meistert sie ähnlich souverän wie Modelle der Klasse einer BMW R 1300 GS, Harley Pan America oder Triumph Tiger 1200.

Dank der hohen Bauweise bietet der Windschild guten Schutz, ohne das Gefühl eines fahrenden Gewächshauses zu vermitteln.

 

Mein erstes Mal DCT: Vorbehalt mit positiven Überraschungen

Ich möchte die volle Kontrolle darüber behalten, wann ich welchen Gang einlege. Gerade bei langsamer Fahrt und im Gelände verlasse ich mich gerne auf das Zusammenspiel von Kupplung, Gas und Rückbremse. Ist das Honda DCT-Getriebe dazu in der Lage, diesen Vorgang zu ersetzen?

Bei normalen Getrieben wird beim Kuppeln die Kraftübertragung vom Motor zum Hinterrad unterbrochen. Beim DCT hingegen arbeiten zwei Kupplungen parallel: eine für die ungeraden Gänge (1, 3, 5) und eine für die geraden Gänge (2, 4, 6). Während die eine Kupplung noch Kraft überträgt, wählt das System bereits den nächsten Gang vor. Beim Gangwechsel öffnet die erste Kupplung in dem Moment, in dem die zweite schliesst. Dies führt zu weichen Schaltübergängen.

Zunächst teste ich den D-Modus (Drive), in dem die Maschine schon sehr früh, bei ungefähr 2200 Touren, hochschaltet. Das ist gemütlich und für den Alltagsgebrauch geeignet, vergleichbar mit einem Scooter. Im S-Modus (Sport) gibt es dann aber drei Stufen: S1, S2 und S3. Damit lässt sich das Schaltverhalten nahezu perfekt an den eigenen Fahrstil anpassen. Am besten entspricht mir S3, da die Maschine spät schaltet und hochdreht. Sehr ähnlich zu dem, was ich gewohnt bin.

Bei langsamen Manövern auf der Strasse (wie etwa bei der Motorradprüfung) und bei Fahrten über unbefestigte Wege bevorzuge ich jedoch den manuellen Modus. Dabei schaltet man mit Zeigefinger und Daumen der linken Hand. So hat man die volle Kontrolle und kann den Gang exakt nach Bedarf wählen, was ein direkteres und traditionelleres Fahrgefühl vermittelt. Während des Tests bin ich die meiste Zeit im manuellen Modus gefahren. Das Fahrerlebnis ist sogar noch besser als bei einer klassischen Schaltung mit Quickshifter, denn man hat bei butterweichen, unterbrechungsfreien Schaltvorgängen die volle Kontrolle. Erste Prüfung bestanden.

 

Touren: Vollgepackt zu zweit über französische Alpenpässe

Ob die Africa Twin Adventure Sports mit den grossen Reiseenduros mithalten kann, teste ich mit vollgepackten Aluminiumkoffern, meinem Sohn als Sozius und Gepäck im Massif du Chablais, südlich des Genfersees. Trotz des für heutige Verhältnisse etwas kleineren Motors mit 1083 cm³ zeigt die Honda auf Touren keine Schwächen. Ich bin überzeugt, dass man mit ihr im Verbund mit auf dem Papier stärkeren Reiseenduros problemlos mithalten könnte. Die knapp über 100 PS bringen ein kräftiges, gleichmässiges Drehmoment von 112 Nm, das auch zu zweit auf engen Passstrassen für souveränen Druck aus der Kurve sorgt. Mit einem Tankvolumen von fast 25 Litern liegt sie sogar über dem Schnitt der Konkurrenz. Mit einem realen Verbrauch von rund 6 Litern pro 100 Kilometer erweist sich die Africa Twin zudem als recht effizient. Auch diese Prüfung gilt als bestanden.

Die Dakar-Ikone: Immer noch ein gutes Offroad-Bike?

Die Offroad-Fähigkeiten des Nachfolgers des mehrmaligen Dakar-Siegers NXR 750 zu challengen, ist fast ein bisschen gewagt. In ihrer Gesamtkonzeption ähnelt die aktuelle Africa Twin aber noch immer dem Original aus den Achtzigern. Technisch wurde sie aber umfassend neu entwickelt. Das Gewicht blieb in etwa gleich, doch umfassend ist sie heute deutlich ausgefeilter. Das Fahrwerk und die Assistenzsysteme helfen enorm, auch wenn puristische Offroader sicher ein deutlich leichteres Bike bevorzugen würden.

 

Neue Farbvarianten und Grafiken

Am technischen Konzept hat Honda an der aktuellen Modellgeneration nichts Grundlegendes verändert. Motor, Getriebe und Fahrwerk bleiben unverändert – was angesichts der ausgereiften Basis kein Nachteil ist. Neu sind vor allem die Farbvarianten und Grafiken: Die Adventure Sports präsentiert sich nun wahlweise in Matt Iridium Gray Metallic oder in einer Tricolour-Lackierung in Pearl Glare White, die an die Dakar-Historie erinnert. Damit bleibt die Africa Twin optisch modern, ohne ihre klare Linie als Abenteurerin zu verlieren.

Fazit: Eine vollwertige, offroad-taugliche Reiseenduro mit valider Schaltautomatik

Nach dieser Testwoche komme ich zum Schluss, dass die Honda Africa Twin Adventure Sports ein rundes Gesamtpaket ist: komfortabel, kraftvoll, vielseitig und mit einem Fahrgefühl, das sowohl auf der Autobahn als auch auf Alpenpässen und im leichten Gelände überzeugt. Sie ist ein zuverlässiges, multifunktionales Arbeitstier, im Automatikmodus manchmal etwas stur, weil sie ihr eigenes Schaltverhalten vorgibt, aber im Grunde immer stark, wendig und berechenbar.

In besonderen Situationen, etwa bei langsamen Fahrmanövern oder sehr sportlicher Fahrweise, wäre mir allerdings ein Kupplungshebel mit Schleifpunkt lieber. Das DCT-Getriebe dürfte dennoch viele MotorradfahrerInnen überzeugen und zeigt, in welche Richtung sich die Motorrad-Technologie künftig entwickeln wird. Und wer lieber manuell schaltet, hat im M-Modus weiterhin volle Kontrolle und Fahrfreude.

Egal, ob man Automatik mag oder nicht: Die Africa Twin Adventure Sports bleibt ein Motorrad, das Abenteuerlust weckt. Und für alle, die lieber manuell schalten, gibt es ja noch die günstigere Standard-Africa-Twin mit 21-Zoll-Vorderrad, mehr Federweg, aber kleinerem Tankvolumen.

Würde ich mir heute ein neues Motorrad kaufen, käme die Africa Twin ganz sicher auf meine Shortlist, nicht zuletzt wegen dem sehr guten Preis-Leistungs-Verhältnis. Zudem sind die beiden Africa Twins bei Honda Schweiz aktuell im Angebot, ein Besuch auf ihrer Webseite oder beim nächsten Händler in der Region lohnt sich auf jeden Fall.