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Wir schreiben das Jahr 1990. Ich war 16 Jahre alt und noch mit meinem Puch Maxi unterwegs, als Suzuki die DR 800 BIG auf den Markt brachte. Die Reiseenduro stand damals im Schaufenster des Suzuki-Händlers im Nachbardorf.
Ich weiss nicht, wie oft der damalige Inhaber des Suzuki Center Cham, Christian Spahni, und sein Team während dieser Zeit das Schaufenster putzen mussten - aber es war bestimmt oft. Denn ich habe mir fast täglich die Nase daran platt gedrückt. Die mächtige Enduro mit dem für derzeitige Verhältnisse völlig überdimensionierten Einzylinder hat mich total in ihren Bann gezogen und daran hat sich bis heute nichts geändert. Immer wieder ertappe ich mich dabei, wie ich den Gebrauchtmarkt nach einer gut erhaltenen Maschine durchforste. Auch wenn in unserer Garage aktuell der Platz dafür fehlt.
Geistige Nachfahrin der DR 800 BIG
Seit Ende des letzten Jahrtausends wird die Suzuki DR 800 BIG zwar nicht mehr gebaut, aber ihr Geist lebt zumindest optisch im Design der Suzuki V-Strom 1050DE weiter. Auch wenn in ihr ein Zweizylinder-Herz mit 1037 Kubikzentimetern Hubraum schlägt, ist die Nähe zu ihrer legendären Urahnin, die für das kantige Design eindeutig Modell stand, unverkennbar.
Deshalb muss ich gleich zu Beginn ein Geständnis ablegen. Aufgrund meiner Vorgeschichte ist es mir unmöglich, einen wirklich objektiven Fahrbericht zu diesem Motorrad abzuliefern und ich bitte um Verständnis für den vermutlich erkennbaren Einfluss meiner gelb gefärbten Fan-Boy-Brille.
Also beisse ich gleich in den sauren Apfel und widme mich den beiden Schwachpunkten des Bikes. Im Vergleich zu vergleichbaren Modellen ist die Suzuki V-Strom 1050DE in der Regel nicht nur schwerer, sondern auch leistungsschwächer. Das hohe Gewicht von 252 kg macht sich auch in der Praxis bemerkbar - zumindest beim Rangieren. In Verbindung mit dem grossen 20 Liter fassenden Tank und dem daraus resultierenden, erhöhten Schwerpunkt, brauchen Parkplatzmanöver teilweise etwas mehr Geschick und Muskelschmalz als es einem lieb ist. Doch die Suzuki hat auch ihre Stärken.
Schwerpunkt Reisekomfort
Auf den ersten Blick besticht sie durch ihr klassisches Design im Stil der 90er Jahre. Die Suzuki V-Strom 1050DE ist in drei Farben erhältlich, kurz gesagt in Gelb, Blau und Schwarz. Ein besonderer Blickfang ist die gelbe Variante, deren offizielle Bezeichnung Champion Yellow / Metallic Mat Sword Silver lautet.
Aber auch der Motor hat seine Vorzüge, wenngleich er mit 107 PS Spitzenleistung und einem maximalen Drehmoment von 100 Nm nicht mit Spitzenwerten in der Hubraumklasse glänzt. Während die meisten anderen Hersteller mit entsprechendem Hubzapfenversatz versuchen, die Vorzüge eines V2-Motors zu simulieren, verbaut Suzuki in der V-Strom 1050 noch einen echten 90° V2-Motor. Der ist zwar wegen der zwei getrennten Zylinder im Vergleich zum Reihenmotor deutlich teurer in der Herstellung, begeistert dafür durch schlanke Bauweise, hervorragendes Ansprechverhalten und einen charakteristischen Sound, der von den in Reihe geschalteten Imitationen unerreicht bleibt.
Schon aus dem Drehzahlkeller schiebt die V-Strom mächtig an und vermittelt ein souveränes, fast überlegenes Fahrgefühl. Besonders drehfreudig ist der Motor jedoch nicht. Das ist aber auch nicht nötig. Denn die grosse Stärke der japanischen Enduro liegt eindeutig im Reisekomfort. Die Sitzposition ist auffallend aufrecht, der Kniewinkel selbst für eine Reiseenduro erstaunlich entspannt. Der breite Tank bietet zusammen mit dem Windschild guten Wetterschutz.
Das getestete Sondermodell Suzuki V-Strom 1050DE Xtreme ist ferner mit Zusatzscheinwerfern, Griffheizung und einem hochwertigen Alu-Koffersystem von Hepco und Becker ausgestattet. In Kombination mit der bequemen, zweigeteilten Sitzbank und dem grossen Platzangebot ist sie damit prädestiniert für Reisen mit Sozia und Gepäck.
Denn ist die V-Strom erst einmal in Bewegung, spürt man das hohe Gewicht kaum. Selbst dann nicht, wenn sie zu zweit gefahren wird und noch mit Gepäck beladen ist. Die kraftvolle Reiseenduro lässt sich überraschend spielerisch in Kurven einlenken und bleibt, begünstigt durch das 21 Zoll grosse Vorderrad, in Kurven extrem stabil und gut kontrollierbar.
Das komfortabel abgestimmte Fahrwerk und gut dosierbare Bremsen, die zuverlässig verzögern, runden das gelungene, langstreckentaugliche Fahrzeugkonzept ab.
Retos Fazit:
Die Suzuki ist eindeutig mehr Reisemotorrad als Enduro. Obwohl ich sie nur kurz auf einem Feldweg gefahren bin, wage ich die Behauptung, dass ich mich mit ihr nicht in anspruchsvolleres Gelände wagen würde. Dafür ist sie zu schwer und ausserdem sind die Federwege mit 170 Millimetern zu kurz.
Die grosse V-Strom ist selbst in der mit 21 Zoll Vorderrad ausgestatteten DE-Variante eher auf der Strasse zu Hause. Trotzdem bietet sie die Gewissheit, nicht gleich umkehren zu müssen, wenn auf einer Tour der Asphalt in einem unbefestigten Weg endet.
Neben der Optik und den Fahreigenschaften hat mich die Verarbeitungsqualität der V-Strom überzeugt. Über die Zuverlässigkeit kann ich mir ohne entsprechende Langzeiterfahrung natürlich kein Urteil erlauben. Aber insgesamt macht das Motorrad einen sehr soliden und hochwertigen Eindruck. Ich bin überzeugt, dass die Suzuki V-Strom 1050 nach wie vor eine gute Wahl für alle ist, die nicht auf der letzten Rille fahren, aber gerne längere Strecken unter die Räder nehmen und eine Reisebegleiterin suchen, die sie unabhängig von Distanz und Beladungszustand zuverlässig ans Ziel bringt.