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Man stelle sich vor, es gäbe ein Motorrad eines europäischen Premium-Herstellers, das gut aussieht, erstklassig verarbeitet ist, hervorragende Fahreigenschaften bietet und für rund 6000 Franken zu haben ist. Unmöglich? Sollte man meinen, ist es aber nicht.
Triumph hat diese scheinbar utopische Vorstellung Wirklichkeit werden lassen und mit den beiden neuen 400er-Modellen zwei Motorräder gebaut, die genau diese Anforderungen erfüllen.
Die Vorgaben, die der Entwicklung der beiden Modelle zugrunde lagen, waren übrigens kein Zufall. Triumph hat in den wichtigsten Märkten, natürlich auch bei uns in Europa, Motorradfahrerinnen und Motorradfahrer aller Altersgruppen befragt.
Das Ergebnis: Für die Befragten waren neben dem Preis vor allem Styling, einfaches Handling und Performance wichtige Anforderungen an ein Motorrad.
Dass diese Parameter nicht alle zu 100 Prozent erreicht werden können, sollte jedem klar sein. Zum Beispiel ist maximale Leistung zum minimalen Preis einfach nicht möglich. Triumph hat jedoch einen hervorragenden Kompromiss gefunden, um die Anforderungen bestmöglich zu erfüllen.
400 Kubik sind doch zu wenig - oder...?
Wenn man an stärkere Motorräder gewöhnt ist, klingen 400 Kubik und 40 PS Spitzenleistung nicht gerade berauschend. Und ja, viele Motoren in dieser Hubraumklasse wirken auf geübte Fahrerinnen und Fahrer anstrengend, weil sie meist viel Schaltarbeit erfordern und sehr hochtourig gefahren werden müssen.
Doch Triumph hat es geschafft, den kleinen Einzylinder überraschend gross wirken zu lassen. Und das, obwohl die technischen Daten Gegenteiliges suggerieren. Der Motor ist mit 64 mm kurzhubig ausgelegt. Zudem liegt das maximale Drehmoment von 37,5 Nm „erst“ bei 6.500 U/min an. Die maximale Leistung wird bei 8.000 U/min erreicht. Auf dem Papier sieht es also so aus, als müsse man sich zwischen 6.000 und 8.000 Umdrehungen bewegen, um in den Genuss ordentlicher Fahrleistungen zu kommen.
In der Praxis ist das jedoch nicht der Fall. Tatsächlich schiebt der kleine Eintopf schon ab 3.000 Umdrehungen ordentlich an, und selbst bei sportlicher Fahrweise ertappt man sich immer wieder dabei, wie man schon bei 6.000 den nächst höheren Gang einlegt. Die Triumph-Ingenieure haben bei der Abstimmung des neuen Motors wirklich ganze Arbeit geleistet.
Triumph Speed 400 - die Sportliche
Die Speed 400 sieht ihrer grossen Schwester, der Triumph Speed Twin, zum Verwechseln ähnlich. Mit zwei kleinen, aber feinen Unterschieden: Sie hat nur einen statt zwei Zylinder und kostet stolze 5000 Franken weniger. Doch abgesehen von Hubraum und Leistung sieht man ihr die Sparmassnahmen selbst auf den zweiten Blick nicht an. Jedes Anbauteil, von der Gabel bis zur Schwinge, wirkt so hochwertig, wie man es von Triumph gewohnt ist.
Der wertige Ersteindruck spiegelt sich auch in den Fahrleistungen wider. Im Geschwindigkeitsbereich bis 100 km/h hängt die Speed 400 spritzig am Gas und lässt kaum Leistung vermissen. Zudem liegt das Bike sehr stabil in den Kurven, ist aber dank des geringen Gewichts (170 kg fahrfertig) extrem wendig und lässt sich sehr leicht selbst durch enge Kehren dirigieren. Auch die Bremsen sind gut dosierbar, packen ordentlich zu und passen zum sportlichen Charakter des Modern Classic Bikes.
Eigentlich müssten wir jetzt noch das obligatorische Haar in der Suppe finden. Aber da selbst das Fahrwerk zum Besten gehört, was wir bisher in dieser Klasse gefahren sind, fällt das wirklich schwer. Okay, für Fans der klassischen Optik gibt es einen Kritikpunkt: Weder für die Speed noch für die Scrambler 400 X gibt es Speichenräder im Zubehörprogramm.
Triumph Scrambler 400 X - die Komfortable
Oft ist eine Scrambler Version nichts anderes als das gleiche Motorrad, nur etwas höher gelegt und mit Handguards und Stollenreifen ausgestattet. Doch Triumph hat auch hier keine Kosten und Mühen gescheut und ein komplett eigenständiges Modell entwickelt. Rahmen, Auspuffanlage, Bremsen, Fahrwerk, Sitzbank, sogar die Scheinwerferhalterung - alles eigene oder individuell für die Scrambler angepasste Teile.
Die meisten positiven Fahreigenschaften hat sie glücklicherweise von der Speed übernommen. Die Motorleistung ist identisch, nur das Ansprechverhalten ist nicht ganz so direkt wie bei der Speed. Und durch das 19-Zoll-Vorderrad fühlt sich die Scrambler sogar etwas stabiler an als ihre kurzbeinige Schwester, ist dafür aber nicht ganz so wendig.
Dank den 150 Millimetern Federweg bietet sie etwas mehr Reserven, um auf der Tour auch mal eine Schotterpassage mitzunehmen. Für längere Strecken abseits befestigter Strassen ist die nach vorn gebeugte Stehposition jedoch zu anstrengend und das weich abgestimmte Fahrwerk stösst trotz der längeren Federwege im Gelände schnell an seine Grenzen. Ein Geländemotorrad ist die Scrambler also nicht. Sie glänzt vor allem durch den besseren Fahrkomfort auf der Strasse und dem entspannteren Kniewinkel.
Um die Bremse im Gelände feiner dosieren zu können, wurden bei der Scrambler andere Bremsbeläge verbaut. Leider hat dies zur Folge, dass im Strassenbetrieb mehr Handkraft benötigt wird, um das Motorrad zu verzögern. Eine Massnahme, die nicht nötig gewesen wäre. Erstens werden die meisten ohnehin überwiegend auf der Strasse fahren und zweitens ist die Bremse der Speed 400 auch nicht so aggressiv, dass sie im Gelände nicht dosiert werden könnte.
Back to the Roots
Natürlich sind die beiden 400er-Modelle ideal für Einsteigerinnen und Einsteiger. Sie sind aber auch für erfahrene Biker von Reiz. Der spritzige und überraschend kräftige 400er-Motor sorgt bis 100 km/h für jede Menge Fahrspass. Wer also nicht allzu viel Geld für sein Hobby ausgeben möchte oder einfach nur entspannt fahren will, ohne ständig gestresst auf den Tacho schauen zu müssen, ist mit der Triumph 400 Speed oder der Scrambler 400 X wirklich gut beraten.
Einfach fahren, den Fahrtwind im Gesicht und das tiefe, aber nicht aufdringliche Bollern des Einzylinders geniessen, das ist es, was diese beiden Motorräder auszeichnet. Weg vom zeitgenössischen Stress und Leistungswahn, zurück zu den Wurzeln des Motorradfahrens. Ein schöner Gedanke - well done Triumph!
Anja Tschopp
Das ETH-Studium für eine Karriere in PR und Kommunikation im Motorsport aufgeben? Ja – genau das waren die Anfänge von Anja Tschopp, die seit 2015 im PR-Management von Tom Lüthi aktiv ist und in den Jahren ab 2017 diverse Projekte rund um die Schweizer Motorradbranche aufgebaut und vorangebracht hat. Als Mitgründerin von The Riders & Girls on Bikes sowie als Hobby-Rennfahrerin alias "motorlady" ist sie in verschiedensten Motorradwelten unterwegs und spricht unter anderem genau die Zielgruppe an, für welche die 400er Serie von Triumph gebaut wurde: Frauen, Motorrad-Einsteiger*innen und solche, die mit einem kleinen aber feinen Motorrad in das Abenteuer auf zwei Rädern starten möchten.
Anjas Fazit:
Mein persönlicher Favorit der beiden Modelle, die Speed 400, bietet überraschend viel Sportlichkeit und gleichzeitig hohes Vertrauen in das Fahrverhalten. Dank des maximalen Drehmoments von 37,5 Nm bei 6.500 U/min lässt sich das 170 kg leichte Bike mit angenehmer, aber nicht überfordernder Power aus den Ecken beschleunigen. Die Reifen - serienmässig die Metzeler M9 RR, vermitteln erstklassigen Grip. Ein besonders wichtiger Punkt. Denn bei leichtgewichtigen Einzylindern steht der Spass am Kurvenspeed im Vordergrund.
Um aber auch der Scrambler 400 X ihren verdienten Ruhm zu lassen: Für reisefreudige Abenteurer bietet das Schwestermodell neben einem höheren Lenker und einem grösseren Vorderrad einen Offroad-Modus für maximalen Spass abseits des Asphalts.
Overall: Ein absolut gelungenes Konzept für Downsizing-Fans mit leichten Abstrichen an der Leistung, dafür mit einem grossen Gewinn an Spass, Sicherheit und kleinerem Risiko an Geschwindigkeitsbussen.
Retos Fazit:
Da ich selbst privat eine Royal Enfield Classic 500 fahre, bin ich der lebende Beweis dafür, dass auch erfahrene Motorradfahrer Spass an „kleineren“ Bikes haben können. Was jedoch Triumph mit den neuen 400er-Modellen auf die Räder gestellt hat, ist eine ganz andere Hausnummer und hinsichtlich Preis-Leistungs-Verhältnis schlicht und einfach unerreicht. Ausserdem hat mich der Motor von Triumph überrascht - kaum zu glauben, was der kleine Einzylinder im Drehzahlkeller für einen Durchzug bietet.
Mit meiner Körpergrösse von 1,82 cm fühle ich mich auf der Scrambler etwas wohler. Zudem kommen mir als Tourenfahrer die längeren Federwege und die komfortable Fahrwerksabstimmung entgegen. Aber auch die sportliche Speed 400 hat ihren Reiz. Nicht zuletzt wegen des Kampfpreises der unter 6000 Franken liegt.
Besonders gespannt bin ich auf die ersten Customizing-Projekte, die sicher nicht lange auf sich warten lassen werden. Für kreative Motorradwerkstätten und Hobbyschrauber bieten beide Modelle eine hervorragende und zudem kostengünstige Basis.